Der Bayern Tourismus Wolpertinger
Fabelhaft!

Der Wolpertinger ist in Bayern zu Hause. Man kennt das scheue Wesen allerdings nur vom Hörensagen – und als fantasievolles Tierpräparat. Der Maler Werner Härtl hat sich davon inspirieren lassen und für uns ein Exemplar aufs Papier gebannt. Aus Kuhdung und Gold, einer Mischung so vogelwild wie der Wolpertinger selbst!

Der Wolpertinger

Kräftig wischt der Pinsel hin und her. Der Maler Werner Härtl beseitigt überflüssige Goldblättchen vom Papier. Man erkennt jetzt eine goldene Linie, die übrig bleibt. Sie zeichnet die bayerische Raute auf das Papier – den würdigen Rahmen für das wohl spektakulärste Tier des Landes. Nein, nicht Problembär Bruno, nicht Wolf und auch nicht Löwe oder Panther aus dem Bayerischen Staatswappen. Sondern den sagenhaften Wolpertinger.

Werner Härtl ist in Reichersbeuern im Tölzer Land zu Hause. Sein Markenzeichen sind Gemälde mit Kuhmist. „Den Dung rühre ich mit Wasser an“, erklärt er, „durch diese Technik bringe ich schöne Tiefen und Schärfen rein und erziele einen fotorealistischen Effekt.“

Ursprünglich kommt der Maler aus dem Comic-Bereich, hat auch viel Graffiti gemacht. Seine künstlerische Liebe zum Dung hat er während seiner Arbeit auf einem Bauernhof entdeckt. „Ich war fasziniert von den verschiedenen Effekten des Materials“, sagt er. Wenn man genau hinschaue, enthalte der braune Brei neben Pflanzenteilen auch Erde, Sand und Insektenlarven. Härtl spielt aber auch gern mit anderen Materialien – etwa Gold!

Dem Wolpertinger scheint die Materialisierung aus Kuhmist völlig schnuppe zu sein. Selbstbewusst und direkt schaut er vom Papier den Betrachter an. Ganz Promi, mit modischer blauer Sonnenbrille auf der Nase und die rechte Pfote zum Victory-Zeichen erhoben.

Umrahmt wird er von oben beschriebener Raute aus Gold. Nur sein Rehbockgeweih, die Hasenohren und ein Teil der Entenflügel ragen aus der Fassung heraus …

Als Comiczeichner fing seine Leidenschaft an

Schöner Scheiß!

„Ich bringe auf einer Meta-Ebene Gold und Scheiße zamm, das sind ja zwei sehr unterschiedliche Materialien“, so Härtl, „konträrer könnt’s gar nicht sein. Das eine ist das Wertvollste, das andere der Abfall.“

Doch Edelmetall und Dung sind für Härtl keine Deko-Elemente, ihr Zusammenspiel soll zum Nachdenken anregen. Denn unter bestimmten Lichtverhältnissen scheine Gold so bräunlich wie der Kuhdung und verschwinde optisch in ihm.

Sind sich also Gold und Scheiße ähnlicher, als man vermutet? Und was ist wirklich wertvoll? Denn es steht fest, dass Kuhfladen vor allem eines sind: nachhaltig!

„Indem ich damit male, möchte ich den Kreislauf-Gedanken unterstreichen“, erläutert der Maler, „denn in meinen Bildern transportiere ich immer auch meine Meinung und stelle eine Frage an den Betrachter.“

Sehr divers: Hase, Rehbock, Ente

Es ist nicht bekannt, wann der Wolpertinger das letzte Mal lebend in freier Wildbahn gesehen wurde, wenn überhaupt ... Viele halten ihn deshalb für ein fabelhaftes Mischwesen, eine bayerische Chimäre.

Angeblich ließen Tierpräparatoren im 19. Jahrhundert ihre Fantasie walten und setzten Präparate aus Körperteilen unterschiedlicher Tierarten zusammen, um sie als Wolpertinger zu verkaufen und Touristen damit zu verulken. Heute sind vorwiegend Gaststuben in Jagdhütten oder Landgaststätten das Habitat der ausgestopften Sonderlinge.

Viele halten den Wolpertinger für ein fabelhaftes Mischwesen, eine bayerische Chimäre

Der Wolpertinger hat in der Regel einen Hasenkopf mit Rehbockgeweih. Er bewegt sich fort mit Gliedmaßen anderer Spezies, er besitzt Flügel statt Vorderläufe und statt Hinterbeine die Füße von Wasservögeln. Aus seinem Oberkiefer ragen zwei große, spitze Fangzähne hervor.

Der entenhafte Hasenrehbock vermehrt sich angeblich eierlegend, so wie der Osterhase. Er ernährt sich von Würmern, Schnecken oder Käfern, verputzt aber auch Kräuter, Wurzeln, Beeren und Pilze. Dass er sich, wie bei Wikipedia zu lesen ist, auch von „preußischen Weichschädeln“ ernähren soll, klingt doch sehr nach Komödienstadel.

Der Wolpertinger kommt nicht nur in vielerlei Gestalten daher, er heißt auch je nach Region verschieden. In Niederbayern nennt man ihn Oibadrischl, in der Oberpfalz Rammeschucksn, in Österreich Ruarackl. Heimatdichter Ganghofer spricht gar von Hirschbockbirkfuchsauergams. In Brandenburg nennt man ein vergleichbares Wesen Rasselbock, und auch Nordamerika hat seinen Wolpertinger: den Jackalope.

Eine ordentliche Ladung Kuhdreck reicht für mindestens zehn Bilder
Im richtigen Licht tritt bei Werners Kuhmist-Gemälden das Schimmern des Blattgoldes hervor

So jagt man Wolpertinger – vermutlich ...

Zur Herkunft des Wolpertinger-Namens gibt es mehrere Erklärungen. Eine bringt ihn in Verbindung mit der Walpurgisnacht, eine andere führt ihn zurück auf Glasmacher aus dem Ort Wolterdingen bei Donaueschingen. Diese stellten Schnapsgläser in Form von Tiergestalten her, die man Wolterdinger nannte. Durch sprachliche Abschleifung soll daraus schließlich „Wolpertinger“ entstanden sein. Ob dabei auch der Glasinhalt eine Rolle spielte, ist nicht bekannt.

Sollte nun ein Leser neugierig geworden sein und selbst einen Wolpertinger fangen wollen, hier dazu Tipps – wenn auch in Sachen Geschlechterrollen von vorgestern. Denn eine Regel lautet: Wolpertinger können nur von jungen, attraktiven Frauen gesichtet werden, wenn diese sich bei Vollmond einem „zünftigen“ Mannsbild anvertrauen, das weiß, wo im Wald sich das wundersame Tier herumtreibt.

Wie auch immer, wichtig ist jedenfalls die „Kartoffelsack-Kerzenlicht-Methode“. Dabei wird dort im Wald, wo der Wolpertinger vermutet wird, ein Sack geöffnet und eine Kerze daneben gestellt. Der durch das Kerzenlicht angelockte Wolpertinger kann dann mit Hilfe eines Stocks in den Sack getrieben werden. Eigentlich gar nicht so schwer.

Viel Erfolg!

Nein, die Kuhdreckkunst von Werner Härtl riecht nicht